Urteil Bundessozialgericht vom 19.04.2011, B 13 R 79/09 R
Schulausbildungen werden bei der Rentenberechnung berücksichtigt. Hierbei wird unterschieden, ob es sich um den Besuch einer allgemeinbildenden Schule, einer Fachschule oder einer Hochschule handelt.
Während der Besuch einer allgemeinbildenden Schule und einer Hochschule nicht mit Entgeltpunkten bewertet wird (diese Zeiten werden bei bestimmten Wartezeiten – den Mindest-Vorversicherungszeiten – angerechnet, welche für den Anspruch auf bestimmte Renten erforderlich sind), erhält eine Zeit der Fachschulausbildung Entgeltpunkte. Für die Zeit einer Fachschulausbildung werden 75 Prozent der errechneten Gesamtleistungsbewertung an Entgeltpunkten gutgeschrieben. Höchstens erhalten die Fachschulzeiten 0,0625 Entgeltpunkte je Monat. Sollten diese mit anderen Zeiten zusammenfallen (z. B. weil die Fachschulzeit auch eine Pflichtbeitragszeit ist), werden die gutgeschriebenen Entgeltpunkte für die Fachschulausbildung auf maximal 0,0625 Entgeltpunkte begrenzt.
Nach den gesetzlichen Regelungen werden Zeiten einer Fachschulausbildung, Zeiten einer beruflichen Ausbildung und Zeiten der Teilnahme an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (für die jeweils auch Entgeltpunkte als Anrechnungszeiten gutgeschrieben werden) für höchstens drei Jahre bzw. 36 Monate bewertet. Dabei sind die Fachschulzeiten vorrangig zu berücksichtigen.
Niedrigere Rentenhöhe aufgrund Fachschulzeit
In einem sozialgerichtlichen Klagefall ergab sich bei einem Versicherten eine geringere Entgeltpunktzahl (aus der sich später die Rente errechnet) dadurch, dass eine Fachschulzeit anerkannt wurde, welche gleichzeitig auch eine Pflichtbeitragszeit aufgrund des Bezugs von Übergangsgeld (Sozialleistung) war. Hierdurch kam es zu der o. g. Begrenzung der Entgeltpunkte.
Wird die Zeit der Fachschule, in welcher der Versicherte eine Technikerschule besucht und Übergangsgeld bezogen hatte, nicht als Fachschulzeit anerkannt, ergibt sich durch die anderen Schulzeiten (Anrechnungszeiten) durch deren Höherbewertung eine höhere Entgeltpunktzahl.
Mit Urteil vom 19.04.2011 entscheid das Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B 13 R 79/09, dass die Fachschulzeit bei einem gleichzeitigen Bezug von Sozialleistungen nicht als Anrechnungszeit gelten darf. Diesbezüglich hatte der Kläger Recht bekommen.
Vorgemerkte Anrechnungszeiten werden zurückgenommen
Das o. g. Urteil behandelte die Situation, dass die Fachschulzeit mit einer Zeit des Sozialleistungsbezugs (Bezug von Übergangsgeld) zusammenfiel.
Im Nachgang hat der Bundesvorstand der Deutschen Rentenversicherung im Januar 2012 (vgl. RVaktuell Mai/Juni 2012) die Entscheidung getroffen, dass die Vormerkung von Anrechnungszeittatbeständen im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4 und Nr. 5 SGB VI sowie § 252 Abs. 1 SGB VI ausgeschlossen ist, wenn gleichzeitig Versicherungspflicht wegen des Bezugs einer Sozialleistung besteht. Die Entscheidung wurde verbindlich, nachdem diese im Amtlichen Mitteilungsblatt der Deutschen Rentenversicherung veröffentlicht wurde.
Das heißt, dass:
- bei einem Besuch einer Schule, einer Fachschule oder Hochschule oder
- der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme
nach dem vollendeten 17. Lebensjahr bei gleichzeitiger Versicherungspflicht wegen eines Sozialleistungsbezugs keine Anrechnungszeit mehr im Rentenversicherungsverlauf anerkannt wird.
Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und zur Änderung anderer Gesetze“ (EM-Leistungsverbesserungsgesetz), welches überwiegend am 01.01.2018 in Kraft getreten ist, wurde eine Änderung in § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB VI und in § 74 Abs. 1 Satz 3 SGB VI herbeigefügt. Danach wird ausgeschlossen, dass bei gleichzeitigem Vorliegen einer Anrechnungszeit neben einem versicherungspflichtigen Sozialleistungsbezug anfängliche Zeiten einer tatsächlichen Berufsausbildung keine oder nur einen sehr geringen Entgeltpunkte-Zuschlag erhalten. Vorrangig werden nur noch beitragsfreie Zeiten der Fachschulausbildung bewertet. Zeiten, in denen Versicherte wegen des Bezugs von Sozialleistungen nach Vollendung des 25. Lebensjahres versicherungspflichtig waren, gelten nicht mehr als Anrechnungszeiten.
Hat ein Rentenversicherungsträger die entsprechenden Zeiten bereits als Anrechnungszeiten im Versicherungskonto vorgemerkt, werden diese Vormerkungen aufgehoben. Dies erfolgt auf der Rechtsgrundlage des § 44 SGB X (Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes).
Der vollständige Urteilstext des BSG-Urteils vom 19.04.2011. Az. B 13 R 79/09 R kann unter: Keine Anrechnungszeit wegen Fachschule bei Sozialleistungsbezug aufgerufen werden.
Prüfung Rentenbescheid
Die äußerst komplexen Rechtsvorschriften, welche bei der Berechnung einer gesetzlichen Rente beachtet werden müssen, führen häufig zu fehlerhaften Rentenberechnungen. In der Folge erfahren die Rentenbezieher finanzielle Nachteile. Diese können vermieden werden, indem jeder Rentenbescheid fachkundig überprüft wird.
Für die rechtliche Überprüfung von Rentenbescheiden und den Rentenberechnungen stehen registrierte Rentenberater zur Verfügung.
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