Urteil des Bundessozialgerichts steht aus, Az. B 13 R 24/20 R
Das Bundessozialgericht muss über den Sachverhalt ein Urteil sprechen, ob die Ungleichbehandlung bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrenten zu beanstanden ist. Die Revision wurde bereits eingelegt; das sozialgerichtliche Verfahren beim Bundessozialgericht wird unter dem Aktenzeichen B 13 R 24/20 R geführt.
Fragliche Ungleichbehandlung durch unterschiedliche Zurechnungszeiten
Bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrenten werden sogenannten Zurechnungszeiten berücksichtigt. Mit diesen Zurechnungszeiten wird bei der Berechnung der Renten faktisch unterstellt, dass der Erwerbsgeminderte ab Eintritt der Erwerbsminderung bis zu einem bestimmten Lebensalter gearbeitet und damit auch Entgeltpunkte aufgebaut hätte. Insbesondere jüngere Versicherte, die erwerbsgemindert werden, profitieren von diesen Zurechnungszeiten, da ansonsten die Rentenzahlung relativ gering ausfallen würde.
Bei der Berücksichtigung der Zurechnungszeiten hat der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren mehrmals Änderungen vorgenommen, die zu einer Verbesserung bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrenten führen. So wurde die Zurechnungszeit ab Juli 2014 vom vormals vollendeten 60. Lebensjahr auf das vollendeten 62. Lebensjahr verlängert. Auch in den Folgejahren kam es zu weiteren Verbesserungen.
Die letzte Verbesserung wurde mit dem EM-Leistungsverbesserungsgesetz (s. hierzu auch: Höhere Renten durch Verlängerung der Zurechnungszeit ab 2019), das im Jahr 2018 erlassen wurde, umgesetzt. Dieses Gesetz sah vor, dass für alle Rentner, deren Erwerbsminderungsrente im Jahr 2019 beginnt, die Zurechnungszeit bereits bis zum vollendeten 65. Lebensjahr und acht Monate berücksichtigt wird. Bei einem Rentenbeginn im Jahr 2018 wurde hingegen eine Zurechnungszeit „nur“ bis zum vollendeten 62. Lebensjahr und drei Monate berücksichtigt wurde. Dieser „Sprung“ bei der Verlängerung der Zurechnungszeiten ab einem Rentenbeginn im Jahr 2019 führt zu einer wesentlich höheren monatlichen Rente, welche durchaus 100 Euro und mehr betragen kann.
Ab dem Jahr 2019 bis zum Jahr 2030 – maßgebend ist immer das jeweilige Jahr des Rentenbeginns – kommt es zu einer weiteren stufenweisen Verlängerung der Zurechnungszeit. Ab dem Jahr 2031 wird dann einheitlich eine Zurechnungszeit bis zum vollendeten 67. Lebensjahr (also bis zur künftig geltenden neuen Regelaltersgrenze) anerkannt.
Rentner klagte gegen Ungleichbehandlung
Ein Bezieher einer Erwerbsminderungsrente aus Nordrhein-Westfalen klagte als sogenannter Bestandsrentner dagegen, dass er von den gesetzlichen Verbesserungen ab dem Jahr 2019 nicht profitiert, da sein Rentenbeginn bereits vor 2019 liegt. Die Klage beim Sozialgericht wie auch die Berufung zum Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen verlief erfolglos. Ebenfalls hatte das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen die Revision zum Bundessozialgericht nicht zugelassen.
Dass die Revision zu Deutschlands höchsten Sozialgericht nicht zugelassen wurde, wurde mit einer Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen. Das Bundessozialgericht hat diese Nichtzulassungsbeschwerde angenommen und auch für den Rentner positiv entschieden. Das Bundessozialgericht entschied, dass die Nichtzulassung zur Revision nicht rechtens war, woraufhin bereits die Revision eingelegt wurde. Das Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht wird nun unter dem Aktenzeichen B 13 R 24/21 R geführt. Bis eine Entscheidung in dieser für die Erwerbsminderungsrentner finanziell äußerst bedeutenden Angelegenheit getroffen wird, wird voraussichtlich noch einige Jahre dauern.
Sollte die Revision nicht im Sinne der Erwerbsminderungsrentner verlaufen, wurde bereits von den Rechtsvertretern des Klägers eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht angedroht.
Eine Unsicherheit bleibt auch bei einem für die Erwerbsminderungsrentner positiven Urteil seitens des Bundessozialgerichts, ob die Rentenversicherungsträger dieses Urteil lediglich als Einzelfallentscheidung oder als Grundsatzurteil ansehen.
Hinweis:
Die Zurechnungszeiten bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrenten haben nicht nur für diese Renten eine hohe Bedeutung. Die verlängerten Zurechnungszeiten sind dann auch für die Folgerente, im Regelfall für die anschließende Altersrente, maßgebend. Ebenfalls spielen die Zurechnungszeiten eine Rolle, wenn der Erwerbsminderungsrentner verstirbt und die Hinterbliebenen aus dessen Rentenversicherungskonto eine Hinterbliebenenrente (Witwen-/Witwerrente, Waisenrente) erhalten.
Nachtrag vom November 2022 – BSG hat entschieden
Mit Urteil vom 10.11.2022 (Az. B 5 R 29/21 R) hat das Bundessozialgericht über den Sachverhalt entschieden und kam zu dem Ergebnis, dass für Bestandsrentner kein Anspruch auf eine höhere Erwerbsminderungsrente besteht. Der 5. Senat des Bundessozialgerichts sah mit den gesetzlichen Regelungen keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes. Die Gründe für die Differenzierung zwischen Bestands- und Neurentner, die der Gesetzgeber angeführt hat, waren für die Richter sachlich nachvollziehbar und nicht willkürlich.
Außerdem hat das Bundessozialgericht darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber bereits auf den Sachverhalt dahingehend reagiert hat, dass ab Juli 2024 gesetzliche Verbesserungen umgesetzt werden.
Gesetzliche Verbesserung ab Juli 2024
Der Gesetzgeber hat auf die Thematik bereits reagiert. Am 13.04.2022 hat das Bundeskabinett das Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz beschlossen. Mit diesem Gesetz werden ab dem 01.07.2024 gesetzliche Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner umgesetzt. Versicherte, deren Erwerbsminderungsrente in der Zeit vom 01.07.2001 bis 31.12.2018 begonnen hat, bekommen ab Juli 2024 einen Zuschlag in Höhe von 7,5 Prozent bzw. 4,5 Prozent gewährt.
Näheres kann unter: Verbesserung bei Erwerbsminderungsrenten ab 01.07.2024 nachgelesen werden.
Prüfung der Rentenbescheide
Jeder Rentenbescheid, den ein gesetzlicher Rentenversicherungsträger erlässt, sollte aufgrund der Komplexität der gesamten Rechts- und Berechnungsvorschriften von einer neutralen Stelle überprüft werden. Eine fehler- oder lückenhafte Rentenberechnung führt schnell zu finanziellen Nachteilen, die im Laufe der Zeit eine stattliche Summe ergeben können.
Für die Überprüfung der Rentenbescheides stehen registrierte Rentenberater zur Verfügung, die unabhängig von den Rentenkassen arbeiten und ausschließlich die Interessen ihrer Mandanten vertreten. Hier können Sie einen Rentenberater kontaktieren und ein Kostenangebot für die Überprüfung des Rentenbescheides einholen:
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