Entgeltpunkte für Zeiten des Wehr- und Zivildienstes
Haben Versicherte einen Wehr- oder Zivildienst absolviert, werden hierfür im Rahmen der Rentenberechnung Entgeltpunkte gutgeschrieben.
Die Zeiten werden mit „Pflichtbeitragszeit Wehrdienst, Zivildienst“ im Rentenversicherungsverlauf ausgewiesen.
Durch zahlreiche Gesetzesänderungen kam es allerdings in der Vergangenheit zu Änderungen, wie die Zeiten eines Wehrdienstes bzw. Zivildienstes bewertet werden. Je nach Zeitraum, in dem der Wehr- bzw. Zivildienst mehr als drei Tage absolviert wurde, werden unterschiedlich hohe Entgeltpunkte bei der Berechnung der Rentenhöhe berücksichtigt.
Pflichtbeitragszeiten
Nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) sind Personen, in der Zeit, in der sie aufgrund gesetzlicher Pflicht Wehrdienst oder Zivildienst leisten, versicherungspflichtig in der Gesetzlichen Rentenversicherung. Bis zum 29.04.2005 war für die Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung eine weitere Voraussetzung, dass der Wehr- oder Zivildienst mehr als drei Tage absolviert wurde. Werden aufgrund dieser Wehr- bzw. Zivildienstpflicht Beiträge geleistet, handelt es sich um Beitragszeiten – die hochwertigsten Zeiten, welche das gesetzliche Rentenrecht kennt – nach Bundesrecht (§ 55 SGB VI).
Neben dem originären Wehr- und Zivildienst werden von der Rentenversicherungspflicht auch Wehrübungen, Wehrdienst in der Verfügungsbereitschaft und der unbefristete Wehrdienst im Verteidigungsfall erfasst.
Wehrdienst- oder Zivildienstleistende, die für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weitererhalten oder die Leistungen an Selbstständige (nach § 7 des Unterhaltssicherungsgesetzes) erhalten, werden nicht von der o. g. Rentenversicherungspflicht des § 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI erfasst; in diesen Fällen gilt die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit als nicht unterbrochen.
Eine bedeutende Änderung hat es ab dem 01.07.2011 gegeben. Ab diesem Zeitpunkt wurde die gesetzliche Wehrpflicht ausgesetzt mit der Folge, dass auch die Grundlage für den Zivildienst entfallen ist. Gleichzeitig wurde der Bundesfreiwilligendienst eingeführt, welcher in der rentenrechtlichen Absicherung wie die bisherigen Grundwehr- bzw. Zivildienstleistende behandelt wird.
Rentenrechtliche Bewertung von Wehr-/Zivildienstzeiten im Überblick
Zeitraum | Bewertung |
01.04.1957 – 30.04.1961 | Pflichtbeiträge aus dem tatsächlichen Wehrsold einschließlich Sachbezüge. Auf Antrag sind jedoch 0,75 Entgeltpunkte/Kalenderjahr zu berücksichtigen. Rentenversicherungspflicht trat nur ein, wenn zum Zeitpunkt der Einberufung Versicherungspflicht als Arbeitnehmer bestand. |
01.05.1961 – 31.12.1981 | Ein Entgeltpunkt/Kalenderjahr bzw. 0,0833 Entgeltpunkte je vollen Kalendermonat. |
01.01.1982 – 31.12.1991 | 0,75 Entgeltpunkte/Kalenderjahr bzw. 0,0625 Entgeltpunkte je vollen Kalendermonat. |
01.01.1992 – 31.12.1999 | Bemessungsgrundlage sind 80 Prozent der Bezugsgröße. |
01.01.2000 – 31.12.2019 | Bemessungsgrundlage sind 60 Prozent der Bezugsgröße. |
01.01.2020 – lfd. | Bemessungsgrundlage sind 80 Prozent der Bezugsgröße. |
Bewertung des Wehrdienstes in den neuen Bundesländern
Zeiten des Wehrdienstes in den neuen Bundesländern bei der NVA (Nationale Volksarmee, Streitkraft der ehemaligen DDR) von mehr als drei Tagen, welche vom 09.05.1945 bis 02.10.1990 vorlagen, werden nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 248 SGB VI) als Pflichtbeitragszeiten berücksichtigt. Diese Regelung ist erforderlich, da die ehemalige DDR für den Wehrdienst keine Pflichtbeitragszeiten rentenrechtlich berücksichtigt hat. Die Wehrdienstpflicht wurde in der DDR ab dem 24.01.1962 eingeführt.
Ab dem 03.10.1990 – dem Tag der Einheit – gelten die Wehrdienstzeiten bereits als Pflichtbeitragszeiten.
Die Berechnung der Entgeltpunkte erfolgt je nach Zeitraum ebenfalls nach der jeweiligen Bewertung (s. Tabelle oben). Allerdings kommt bei einer Wehrpflicht in den neuen Bundesländern die Bezugsgröße Ost zum Tragen, welche dann wiederum mit dem jeweiligen Hochwertungsfaktor hochgewertet wird. Dieses Ergebnis wird durch das Durchschnittsentgelt dividiert. Die so errechneten Entgeltpunkte werden dann mit dem Rentenwert Ost multipliziert.
Beispiel:
Ein Versicherter absolvierte vom 01.01.1996 bis 31.12.1996 in den neuen Bundesländern seinen Wehrdienst.
Folgende Werte galten im Jahr 1996:
- Bezugsgröße Ost monatlich: 3.500 DM
- Faktor Hochwertung Ost-Verdienste: 1,2209
- Durchschnittsentgelt: 51.678 DM
Berechnung:
- Bemessungsgrundlage: 3.500,00 Euro x 12 Monate x 80 Prozent x 1,2209 = 41.022,24 DM
- Entgeltpunkte: 41.022,24 / 51.678,00 DM = 0,7938 Entgeltpunkte
Die errechneten 0,7938 Entgeltpunkte werden mit dem Rentenwert Ost multipliziert, was im Jahr 2020 (erstes Halbjahr) einer Brutto-Rente von 25,31 Euro entspricht.
Die Zeiten des Wehrdienstes in der ehemaligen DDR sind im Wehrdienstpass oder auch im SVA (Sozialversicherungsausweis der DDR) eingetragen. Diese Eintragungen dienen als Nachweis für die Wehrdienstzeit und die Berücksichtigung bei der Rentenberechnung.
Für die Zeit bis 31.12.1991 gilt die Besonderheit, dass die Zeiten des Wehr- oder Zivildienstes im Beitrittsgebiet von mehr als drei Tage mit 0,75 Entgeltpunkten je Kalenderjahr abgegolten werden. Für Teilzeiträume werden die Entgeltpunkte anteilig ermittelt. Diese „Abgeltung“ der Wehr- und Zivildienstzeiten vor dem 01.01.1992 ergibt sich aus § 256a Abs. 4 SGB VI.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 30.11.2023, 1 BvR 1509/23 bestätigt, dass die unterschiedliche Bewertung der Wehrdienstzeiten bei der NVA (Nationalen Volksarmee) der DDR und der Bundeswehr unterschiedlich bewertet werden konnten. Im Rahmen der Herstellung der Rentenversicherungseinheit war es dem Gesetzgeber nach verfassungsrechtlichen Maßgaben nicht aufgegeben, die Versicherten hinsichtlich ihrer Rentenansprüche und Anwartschaften aus den neuen Bundesländern so zu stellen, als wäre die Versicherungsbiografie in den alten Bundesländern zurückgelegt worden. Das Bundesverfassungsgericht musste über die unterschiedliche Bewertung entscheiden, da ein Versicherter sich nicht damit einverstanden erklärte, dass seine Zeit bei der NVA von November 1973 bis April 1975 mit 0,75 Entgeltpunkten (für ein volles Jahr) bewertet wurde, während ein Versicherter für den gleichen Zeitraum bei der Bundeswehr 1,0 Entgeltpunkte erhalten hat.
Rentenbescheid/Rentenberechnung überprüfen lassen
Allein an der Berücksichtigung und der rentenrechtlichen Bewertung von Wehr- und Zivildienstzeiten zeigt sich, welche Besonderheiten in einzelnen Zeitabschnitten zu beachten sind und wie komplex die Rentenberechnung insgesamt ist.
Aufgrund der vielfältigen Berechnungsschritte und der vielfältigen Besonderheiten, welche zur Berechnung der Rente durchzuführen sind, können sich schnell Fehler einschleichen, die zu finanziellen Nachteilen führen. Daher sollte jeder Rentenbescheid – vor allem vor dem Hintergrund, dass dieser im Regelfall eine sehr lange Laufzeit hat – von einer unabhängigen Stelle überprüft werden.
Für die Überprüfung von Rentenbescheiden stehen registrierte Rentenberater zur Verfügung, die unabhängig von den Rentenversicherungsträgern arbeiten und den Rentenbescheid vollumfänglich prüfen.
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