Berücksichtigung von persönlichen Entgeltpunkten aus Vor-Rente
Wird bei der Gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente beantragt, wird diese Rente nach der gewöhnlichen Rentenformel berechnet. Dabei werden dann die maßgebenden Beitragszeiten, beitragsgeminderten und beitragsfreien Zeiten berücksichtigt werden.
Eine Besonderheit ergibt sich, wenn vor der beantragten Rente bereits eine andere Rente bezogen wurde. In diesem Fall sind Besonderheiten zu beachten, welche in der Rechtsvorschrift des § 88 SGB VI (Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) geregelt sind. Durch diese gesetzlich geregelte Besonderheit erhalten Versicherte in bestimmten Fällen einen Besitzschutz auf die persönlichen Entgeltpunkte, welche bei der vorher bezogenen Rente (Vor-Rente) zugrunde lagen.
Besonderheiten bei Versichertenrenten
Bei den Versichertenrenten handelt es sich um die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Renten wegen Erwerbsminderung (EM-Renten), um die Erziehungsrenten und um die Altersrenten.
Geht einer Rente eine Altersrente voraus, werden bei der Rentenberechnung mindestens die persönlichen Entgeltpunkte berücksichtigt, die bei der Altersrente berücksichtigt bzw. berechnet wurden.
Sofern im direkten Anschluss an eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine Altersrente bezogen wird, werden bei der Rentenberechnung mindestens die persönlichen Entgeltpunkte herangezogen, welche bei der EM-Rente berechnet wurden. Dies gilt auch dann, wenn zwischen dem Ende der Erwerbsminderungsrente und der Altersrente eine zeitliche Lücke ist, die maximal 24 Kalendermonate beträgt (die Altersrente muss innerhalb von 24 Monaten nach dem Ende der EM-Rente beginnen). Das bedeutet, die Altersrente im Anschluss an eine Erwerbsminderungsrente kann höher, aber nicht geringer sein als die zuvor bezogene Erwerbsminderungsrente. Die gleichen Voraussetzungen gelten auch für die Fallkonstellation, dass eine Altersrente im Anschluss bzw. innerhalb von 24 Monaten nach dem Ende einer Erziehungsrente beginnt.
Beispiel:
Ein Versicherter hat ab Februar 2025 einen Anspruch auf die Regelaltersrente. Zuvor wurde eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen; dieser Rentenanspruch endet im Januar 2025, weil in diesem Monat die Regelaltersgrenze erreicht wird.
Bei der Berechnung der vollen Erwerbsminderungsrente lagen 34,5588 Entgeltpunkte zugrunde.
Die Regelaltersrente wird ab Februar 2025 vollständig neu berechnet. Bei dieser Berechnung ergeben sich 33,9824 Entgeltpunkte.
Folge:
Da die Entgeltpunkte der Erwerbsminderungsrente, die unmittelbar vor der Altersrente bezogen wurde, höher sind als die errechneten Entgeltpunkte der Regelaltersrente, kommt der Besitzschutz nach § 88 Abs. 1 SGB VI zum Tragen. Das heißt, die Altersrente wird aus den höheren Entgeltpunkten – aus 34,558 Entgeltpunkten – berechnet.
Besonderheiten bei Hinterbliebenenrenten
Eine weitere Besonderheit bzw. einen Besitzstand auf die persönlichen Entgeltpunkten gibt es auch bei den Hinterbliebenenrenten. Bei den Hinterbliebenenrenten handelt es sich um die Witwen- bzw. Witwerrenten und um die Waisenrenten (Halbwaisenrente, Vollwaisenrente).
Verstirbt ein Versicherter der Gesetzlichen Rentenversicherung, der bereits im Rentenbezug stand, werden bei den Hinterbliebenenrenten (welche aus dem Versicherungskonto des Verstorbenen berechnet werden) mindestens die Entgeltpunkte angesetzt, welcher der Berechnung der Versichertenrente zugrunde lagen. Der Besitzschutz auf die Entgeltpunkte dieser Vor-Renten besteht jedoch nur dann, wenn die Hinterbliebenenrente innerhalb von 24 Monaten beginnt, nachdem die Vor-Rente (hier die Versichertenrente) endete.
Der Besitzschutz auf die persönlichen Entgeltpunkte aus der Vor-Rente besteht auch dann, wenn eine Hinterbliebenenrente (Witwen-, Witwer-, Waisenrente) wegfällt und innerhalb von 24 Kalendermonate eine erneute Hinterbliebenenrente zu leisten ist.
Weitere Hinweise zu den Besonderheiten bei Folgerenten
In bestimmten Fallkonstellationen, wenn bei einem Versicherten sowohl Entgeltpunkte als auch Entgeltpunkte (Ost) der Berechnung zugrunde liegen, kann es trotz des o. g. Besitzstandes zu einer geringeren Rente kommen. Auch diesem Fall ist betragsmäßig die Rente mindestens in Höhe der Vor-Rente zu leisten. Es kommt daher – sofern § 88 SGB VI anzuwenden ist – zu keiner geringeren Rentenzahlung.
Besteht nach den gesetzlichen Bestimmungen ein Besitzstandsschutz auf die Entgeltpunkte der Vor-Rente und wurde diese Vor-Rente als Teilrente geleistet, werden die Entgeltpunkte vom Besitzstandsschutz erfasst, die sich bei Bezug der Vor-Rente als Vollrente ergeben hätten.
Teilweise kommt es noch während des Bezugs der Vor-Rente zu einer weiteren Beitragszahlung. Sollte dann eine Folgerente geleistet werden, besteht der Besitzstandsschutz auf die Entgeltpunkte der Vor-Rente. Hinzu kommen nach § 88 Abs. 3 SGB VI noch die Entgeltpunkte, die sich aufgrund der (nach Beginn der Vor-Rente) geleisteten Beitragszahlung ergeben.
Überprüfung von Rentenbescheiden
Die Berechnungen der gesetzlichen Renten unterliegen einer extremen Komplexität, im Rahmen derer es schnell zu einer fehlerhaften oder lückenhaften Berechnung kommen kann. Es wird daher empfohlen, die von den gesetzlichen Rentenkassen erlassenen Rentenbescheide überprüfen zu lassen.
Registrierte Rentenberater (registriert nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz) stehen für die kompetente und unabhängige Prüfung von Rentenbescheiden zur Verfügung.
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